bios [torah]

Der Toraschreiber
2014

bios [torah] (2014)

In der Roboterinstallation „bios [torah]” schreibt ein Industrieroboter mit einer Schreibfeder handschriftlich die Tora auf eine Papierrolle nieder. Mit Präzision führt die Maschine die kalligrafischen Linen aus, und läßt so, wie ein jüdischer Sofer, nach und nach den Text entstehen. Beginnend mit dem Buch Bereschit, der Genesis der Bücher Mose, produziert „bios [torah]” in einem einmonatigen Schreibprozess ohne Unterbrechungen das gesamte Werk: 304.805 Buchstaben in 245 Spalten auf rund 80 Meter Papier.

bios [torah] (2014) Die Schaffung einer Tora durch den jüdischen Schreibgelehrten ist mit einem handschriftlichen Kopiervorgang verbunden, der möglichst präzise ausgeführt wird. Indem der Roboter die Tora schreibt, imitiert er demnach nicht den Menschen selbst, sondern dessen menschliche Imitationstechnik. So wie eine Toraschrift individuelle Charakteristiken des jeweiligen Sofers enthält, so entsteht auch durch die internen Eigenarten und Toleranzen des Roboters eine Schrift mit eigenem Charakter. Sein Schriftbild ist präzise und lebendig zugleich und hebt sich deutlich von einer gedruckten Schrift ab. Der Roboter nimmt mit seinem Schaffen eine Zwischenstellung zwischen Handschrift und Maschinendruck ein.

„bios [torah]” fokussiert auf die Wechselwirkung von Glauben und technischem Fortschritt. Die Anordnung setzt zwei für die menschliche Gesellschaft grundlegende Systeme in Beziehung, die jüdische Religion und den wissenschaftlichen Rationalismus. In diesem Zusammenhang spielt seit jeher das Medium Schrift eine besondere Rolle, sowohl als sakrale Schrift als auch zur formalen Niederschrift von Wissen.

Der Titel „bios” verweist auf eine elementare Komponente der Computertechnik, das Basic Input Output System (BIOS). Es ist der Bios-Chip, der die erste Vermittlung zwischen Hard- und Software koordiniert und somit die unverzichtbare, grundlegende Software beinhaltet, mit der jeder Computer erst starten und Informationen verarbeiten kann. Er beinhaltet demnach jenes erste Programm, jene erste ursächliche Schrift, worauf jedes weitere Programm aufbaut. Der bios-Code hat somit für die Maschine eine vergleichbar fundamentale Bedeutung wie die sakrale Schrift für den Menschen.

Mitarbeit hebräische Schrift: Sahar Aharoni

„bios [torah]“ im Jahr 2014/15 in der Eric F. Ross Galerie im Jüdischen Museum Berlin (DE).
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